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LSD Symposium

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Albert Hofmann

Biografie Albert Hofmann, Entdecker des LSD. Interview mit Albert Hofmann. Bibliografie.

Im Blickpunkt




Dr. Dr. h.c. mult. Albert Hofmann


Porträt von Dr. Albert Hofmann

Interview mit Albert Hofmann von Lucius Werthmüller

Porträt von Dr. Albert Hofmann


Der Schweizer Albert Hofmann gilt als einer der bedeutendsten Chemiker unserer Zeit. Er ist der Entdecker von LSD, in dem er bis heute ebenso eine «Wunderdroge» wie ein «Sorgenkind» sieht. Darüber hinaus leistete er Pionierarbeit in der Erforschung anderer psychoaktiver Substanzen sowie der Wirkstoffe wichtiger Arzneipflanzen und Pilze. Unter dem Eindruck des bewusstseinserweiternden Potentials des LSD wandelte sich der Wissenschaftler zunehmend zum Naturphilosophen und kulturkritischen Visionär.
Am 11. Januar 1906 wird Albert Hofmann in der beschaulichen Schweizer Kleinstadt Baden geboren, als ältestes von vier Kindern. Sein Vater ist Werkzeugmacher in einer Fabrik, in der er Alberts spätere Mutter kennenlernt; als er schwer erkrankt, muss Albert, als Ältester, für den Unterhalt der Familie sorgen. Deshalb absolviert er eine kaufmännische Lehre. Nebenher büffelt er Latein und andere Sprachen; denn er will die Matura ablegen, was ihm an einer Privatschule gelingt. (Den Unterricht bezahlte ihm ein Taufpate.)
1926, mit zwanzig, nimmt Albert Hofmann an der Universität Zürich ein Chemiestudium auf. Vier Jahre später promoviert er dort mit Auszeichnung. Anschliessend ist er in den pharmazeutisch-chemischen Forschungslaboratorien der Firma Sandoz in Basel tätig, der er mehr als vier Jahrzehnte ununterbrochen die Treue hält. (1996 verschmolz Sandoz mit Ciba-Geigy zu dem Konzernriesen Novartis.) Dort befasst er sich vor allem mit Arzneimittelpflanzen und Pilzen. Besonders interessieren ihn die Alkaloide (Stickstoffverbindungen) des Getreidepilzes Mutterkorn. 1938 isoliert er den Grundbaustein aller therapeutisch bedeutsamen Mutterkornalkaloide, die Lysergsäure; diese versetzt er mit einer Reihe von Chemikalien. Die so gewonnenen Lysergsäure-Derivate testet er dann auf kreislauf- und atmungsanregende Wirkungen – unter anderem das LSD-25 (Lysergsäurediäthylamid). Weil die beobachteten Effekte hinter den Erwartungen zurückbleiben, verlieren die Pharmakologen von Sandoz jedoch rasch das Interesse daran.
Einer «merkwürdigen Ahnung» folgend, wendet sich Albert Hofmann fünf Jahre später dem LSD-25 erneut zu. Am 16. April 1943, während des Synthetisierens, überkommen ihn plötzlich sonderbare Empfindungen - «eine merkwürdige Unruhe, verbunden mit einem leichten Schwindelgefühl» -, die ihn veranlassen, die Laborarbeit zu unterbrechen. Zu Hause «legte ich mich nieder und versank in einen nicht unangenehmen rauschartigen Zustand, der sich durch äusserst angeregte Phantasie kennzeichnete. Im Dämmerzustand bei geschlossenen Augen – das Tageslicht empfand ich als unangenehm grell – drangen ununterbrochen phantastische Bilder von ausserordentlicher Plastizität und mit intensivem, kaleidoskopartigem Farbenspiel auf mich ein. Nach etwa zwei Stunden verflüchtigte sich dieser Zustand.»
Drei Tage später, am 19. April 1943, begibt sich Hofmann auf den ersten freiwilligen LSD-Trip der Menschheitsgeschichte. Weil er die enorme Wirksamkeit der Droge noch nicht einschätzen kann, nimmt er um 16:20 Uhr mit 250 Mikrogramm eine relativ hohe Dosis ein – und lernt die halluzinogene Macht der Substanz intensiv kennen. (Siehe Text zum Schwerpunktthema am Freitag, 13. Januar 2006.)
Mit der Entdeckung des LSD hat Albert Hofmann einen Schneeball ins Rollen gebracht, der im Nu zu einer Lawine anschwillt. Sie beeinflusst das ausgehende zweite Jahrtausend, zumindest in der westlichen Welt, in einem Masse, das nur noch mit der «Pille» vergleichbar ist. (Siehe Info-Text «LSD».) Von einer «Atombombe des Geistes» sprachen Bewusstseinsforscher ehrfürchtig.
Zur Forschung, die nun weltweit einsetzt, trägt Albert Hofmann mit eigenen Studien wesentlich bei. So gelingt es ihm 1958 als erstem, aus den mexikanischen Zauberpilzen (Psilocybe mexicana) die psychoaktiven Wirkstoffe Psilocybin und Psilocin zu isolieren; in Ololiuqui, den Samen einer Trichterwinde, findet er Inhaltsstoffe, die dem LSD verwandt sind. Er isoliert und synthetisiert die Wirkstoffe bedeutender Arzneipflanzen, um deren Wirkung zu untersuchen. Seine Grundlagenforschung beschert Sandoz mehrere erfolgreiche Arzneimittel: so das Geriatrikum Hydergin, das Kreislaufmittel Hydergot und das in der Gynäkologie eingesetzte Methergin.
Bis zu seiner Pensionierung 1971 bleibt Hofmann bei Sandoz tätig, zuletzt als Leiter der Forschungsabteilung für Naturheilmittel. Danach widmet er sich verstärkt dem Schreiben und Vortragen. Für seine wissenschaftlichen Pionierarbeiten findet er zunehmend Anerkennung: Die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, die Universität Stockholm und die Freie Universität Berlin verleihen ihm Ehrendoktorwürden, er wird ins Nobelpreiskomitee berufen.
Ausgezeichnet wurden dabei herausragende Forschungsbeiträge – doch Albert Hofmanns Lebenswerk umfasst weitaus mehr. Von Anfang an begleitet er wohlwollend die Bemühungen von Ärzten und Psychotherapeuten, LSD in neue Ansätze zur Behandlung von vielerlei chronischen Krankheiten einzubeziehen. LSD nützt aber nicht nur bei speziellen Diagnosen – nach Hofmanns Überzeugung käme das «psychedelische» Potenzial der «Wunderdroge» jedem von uns zugute. In den veränderten Bewusstseinszuständen, die LSD auslöst, sieht sein Entdecker keineswegs bloss psychotische Wahnzustände eines chemisch manipulierten Gehirns, sondern Fenster zu einer höheren Wirklichkeit – wahrhaft spirituelle Erfahrungen, in denen sich ein gewöhnlich tief verschüttetes Potenzial unseres Geistes, die Göttlichkeit der Schöpfung, unsere Verbundenheit mit ihr offenbart. «Der einseitige Glaube an die naturwissenschaftliche Sicht des Lebens beruht auf einem folgenschweren Irrtum», schreibt Hofmann in Einsichten - Ausblicke. «Zwar ist alles wahr, was sie enthält – aber dies repräsentiert bloss die eine Hälfte der Wirklichkeit; nur deren materiellen, quantifizierbaren Teil. Ihr mangelt es an all jenen spirituellen Dimensionen, die nicht in physikalischen oder chemischen Begriffen beschrieben werden können; und gerade diese schliessen die wichtigsten Charakteristika alles Lebens ein.»
Von einer Chemikalie, welche diese Aspekte der Welt erkennen hilft, profitiert nicht nur der einzelne Konsument; für Hofmann könnte sie Defizite heilen helfen, an denen die westliche Welt chronisch krankt: «Materialismus, Entfremdung von der Natur (...), Mangel an beruflicher Erfüllung in einer mechanisierten, leblosen Arbeitswelt, Langeweile und Ziellosigkeit in einer wohlhabenden, saturierten Gesellschaft, das Fehlen einer sinnstiftenden philosophischen Grundlegung des Lebens». Von Erfahrungen ausgehend, wie LSD sie vermittelt, könnten wir «ein neues Bewusstsein der Wirklichkeit entwickeln», das «zur Grundlage einer Spiritualität werden könnte, die nicht auf den Dogmen bestehender Religionen beruht, sondern auf Einsichten in einen höheren und tieferen Sinn» – darauf, dass «wir die Enthüllungen im Buch, das der Finger Gottes schrieb, erkennen, lesen und verstehen». Wenn solche Einsichten «Eingang in unser kollektives Bewusstsein finden, könnte sich daraus ergeben, dass die naturwissenschaftliche Forschung und die bisherigen Zerstörer der Natur – Technologie und Industrie -, dazu dienen werden, unsere Welt in das zurückzuverwandeln, was sie einst war: in einen irdischen Garten Eden.»
Mit dieser Botschaft wird aus dem genialen Chemiker ein tiefsinniger Naturphilosoph und kulturkritischer Visionär. Die kritische Distanz zur LSD-Euphorie von Hippie- und Flower Power-Bewegten hat Albert Hofmann allerdings nie aufgegeben; dass er ein «Sorgenkind» in die Welt gesetzt hat, betont er schon im Titel seines bekanntesten Werks. Stets weist er auf die Risiken eines unkontrollierten Konsums hin. Andererseits wird er nicht müde zu betonen, was LSD von den meisten anderen Drogen grundlegend unterscheidet (siehe Info «Drogen – Eine Klassifikation»): Auch bei wiederholtem Gebrauch macht es nicht abhängig; es schränkt das Bewusstsein nicht ein; in üblicher Dosis ist es völlig ungiftig. Die pauschale Verteufelung von Psychedelika, die Massenmedien und konservative Politiker und Regierungen von den sechziger Jahren an betrieben, konnte er nie nachvollziehen; für ihn spricht nichts dagegen, dass psychisch stabile Persönlichkeiten in ausgeglichener Stimmungslage und angenehmer Umgebung (Set und Setting) LSD konsumieren.
Um so enttäuschter war Albert Hofmann, als er miterleben musste, wie der Gebrauch von LSD seit den ausgehenden sechziger Jahren weltweit kriminalisiert und verboten wurde – sogar zu therapeutischen und Forschungszwecken. (siehe Info-Text zum Schwerpunktthema am Freitag, 13. Januar 2006.) Falls vom Basler Symposium Anstösse zu einer Kehrtwende ausgehen, so wäre dies gewiss das schönste Geburtstagsgeschenk, das man Albert Hofmann zu seinem Hundertsten machen könnte. (HW)


Bibliografie

Titel von Albert Hofmann:
LSD – Mein Sorgenkind, Stuttgart 1979
Einsichten - Ausblicke, Solothurn 2003
Lob des Schauens, Solothurn 2003
Die Mutterkornalkaloide - Vom Mutterkorn zum LSD, Solothurn 2000
Der Weg nach Eleusis - Das Geheimnis der Mysterien, (mit R. Gordon Wasson und Carl A. P. Ruck), Frankfurt 1984
Naturwissenschaft und mystische Welterfahrung, Löhrbach 1992
Pflanzen der Götter (mit Richard Evans Schultes), Aarau 1998
Erinnerungen eines Psychonauten - Von der Entdeckung entheogener Drogen (CD), Köln 2003

LSD - My Problem Child, New York 1980
LSD - Mon enfant terrible, Grenoble 1997

Titel über Albert Hofmann und LSD:
Christian Rätsch, Hg, Tor zu Inneren Räumen - eine Festschrift für Albert Hofmann, Löhrbach 1996
Christian Rätsch, Hg, 50 Jahre LSD-Erfahrung, Löhrbach 1993

Links
www.hofmann.org, die Website der Albert Hofmann Foundation, USA
www.lycaeum.org/books/my_problem_child, mit LSD – My Problem Child, der englischen Übersetzung von Albert Hofmanns Standardwerk


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Interview mit Albert Hofmann von Lucius Werthmüller


Durch Ihre Entdeckungen sind Sie in Kontakt mit veränderten Bewusstseinszuständen gekommen. Welche Bedeutung messen sie diesen Zuständen für unsere weitere Entwicklung bei?

Albert Hofmann: Eine ausserordentliche! Denn letztlich besteht die Evolution der Menschheit darin, dass sich das Bewusstsein verändert und erweitert. Die ganze kulturelle und sonstige Entwicklung hängt davon ab.

Was verstehen Sie hierbei unter Bewusstsein?

Albert Hofmann: Definieren kann man es im Grunde nicht - denn man braucht es ja, um darüber nachzudenken, was Bewusstsein ist. Ich würde es kennzeichnen als das rezeptive und kreative Zentrum des Individuums. Ein Ich ohne Bewusstsein ist demnach undenkbar. Da man Bewusstsein nur umschreiben kann, spreche ich lieber von veränderten Bewusstseinsinhalten. Ob ich mich nur mit der materiellen Seite des Lebens befasse oder auch mit dem Transzendenten, der Geistigen Welt, das ist das Entscheidende. Das heisst, dass die Veränderung sich auf die Inhalte des Bewusstseins bezieht.

Wie könnte LSD in Zukunft dazu beitragen, diese Bewusstseinsinhalte zu verändern?


Albert Hofmann: Heutzutage leben wir in einem materialistischen Zeitalter. Viele Menschen sehen nur noch den äusseren, materiellen Teil und streben und handeln in diesem Bereich. Was dahinter steht, den geistigen Urgrund, nehmen sie nicht mehr wahr. Ich betrachte das LSD als Katalysator. Es ist ein Mittel, das unsere Aufmerksamkeit, unsere Wahrnehmung auf andere Teile, andere Inhalte unseres menschlichen Daseins lenkt, so dass wir wieder des geistigen Hintergrundes gewahr werden. Was LSD bewirkt, ist eine Reduktion der intellektuellen Kräfte zugunsten eines emotionalen Erfahrens der Welt. Man vergisst sich selbst und wird erfüllt von anderen Dimensionen des Seins, den geistigen Dimensionen, die nur mit dem Herz wahrnehmbaren Dimensionen. Insofern kann LSD Menschen helfen, die bestrebt sind, diesen unbefriedigenden, rein materiellen Aspekt der Wirklichkeit zu erweitern und mehr in das Geistige, in das Emotionale, in die Dimensionen des Schönen, des Allumfassenden, der Liebe zu gelangen. Dies ist ein Zustand der Ekstase.

Ein dauerhafter Zustand?


Albert Hofmann: Nein, natürlich kann man darin nicht immer bleiben. Unser Alltag besteht aus zwei Komponenten, der materiellen und der geistigen. Wir können uns nicht nur in der geistigen Welt bewegen, denn im Alltag müssen wir uns wieder mit der materiellen Welt befassen, müssen denken und rational handeln. Wichtig ist, dass wir den geistigen Hintergrund nie vergessen und aus diesem geistigen Hintergrund heraus handeln. Und LSD dient da als Katalysator, um aus dem Erleben der geistigen Welt neue Masstäbe für den Alltag zu gewinnen.

Erwarten Sie, dass die gesellschaftliche Akzeptanz für den Einsatz bewusstseinsverändernder Mittel zunehmen wird? Und dass Rahmenbedingungen geschaffen werden, in denen LSD sinnvoll angewendet werden kann?

Albert Hofmann: Ich habe die Hoffnung, dass das geschieht. In gewisser Weise war das anfangs so. LSD wurde angewandt in der Psychiatrie und Psychoanalyse, als Hilfsmittel, um vergessene oder verdrängte Bewusstseinsinhalte wieder ins Bewusstsein zurückzubringen und zu verarbeiten. Viele geistige Störungen beruhen darauf, dass der Mensch in seinen Problemen, in seinem Ich eingekapselt ist. LSD öffnet dann das Ich-Denken zugunsten eines erweiterten Erlebens. Insofern ist LSD wertvoll gewesen als Hilfsmittel, um zu einem erweiterten Bewusstsein zu kommen. Aus einem isolierten Bewusstsein wegzukommen und zu spüren, dass man Teil von etwas Grösserem ist, hat einen therapeutischen Effekt. Es geht also immer um eine Erweiterung; es geht darum, die Dinge in einem grösseren Zusammenhang zu sehen.

Was ist für Sie der wichtigste Effekt, den LSD heutzutage haben kann?


Albert Hofmann: LSD hilft gegen eines der wichtigsten Probleme unserer Zeit: Viele von uns leben in einer städtischen Umgebung, die vollständig vom Menschen gestaltet ist. Wir haben uns der Natur entfremdet. Wir haben das Gefühl verloren, ein Teil der lebenden Schöpfung zu sein. Und das gehört zum Schlimmsten, was uns widerfahren kann. Weil wir nicht mehr wissen, dass wir ein Teil der Natur sind, sind wir in dieses materialistische Zeitalter hineingeraten und sehen nun die ganze Katastrophe der Umweltzerstörung, die wir dadurch verursacht haben.

Mit LSD zurück zur Natur?

Albert Hofmann: Durchaus. Immer wieder beeindruckt mich, dass Menschen, die eine positive LSD-Erfahrung hatten, zu mir kommen und sagen: «Ich hatte keine Beziehung zur Natur; jetzt liebe ich die Natur und fühle mich wohl in der Natur.» Das innere Wissen, dass wir ein Teil der lebenden Schöpfung sind, ist etwas vom allerwichtigsten, das wir wiedererlangen müssen. Was der Mensch macht, ist sekundär und beruht auf dem, was ihm die Natur vorgibt: die Erde, die Sonne, die Pflanzen. Das ist die primäre, lebendige und im ständigen Wandel begriffene Welt. So kann LSD helfen, dass unser Bewusstein wieder erfüllt wird vom Gefühl des Ganzen und dem Einssein mit der Natur.

Wo liegen denn die Gefahren?

Albert Hofmann: Es ist gefährlich, einfach LSD zu nehmen und zu denken, man werde dann weise. Es bedarf einer Vorbereitung. Man muss wissen, was man erreichen will. Man muss sich darüber im klaren sein, dass alle Sinnesorgane stimuliert sind. Das Licht wird heller, die Farben werden intensiver, alle Gefühlskomponenten werden intensiviert. Man gerät in eine andere Wirklichkeit, und dies kann sehr erschreckend sein. Deswegen ist es enorm wichtig, sich meditativ vorzubereiten und die richtige Umgebung, die richtigen Begleitpersonen zu wählen. Nur dann können wir dieses andere Erleben integrieren, anstatt davon erschreckt zu werden.

Wie schätzen Sie den Stellenwert dieses pharmakologischen Wegs zur Bewusstseinsveränderung ein?

Albert Hofmann: Er ist nur ein Weg neben anderen. Atemtechniken, Yoga, Fasten, Isolation, Tanz, Kunst können ebenfalls dazu verhelfen.

Was zeichnet den pharmakologischen Weg gegenüber anderen aus?

Albert Hofmann: Besonders modern ist er jedenfalls nicht. Im Gegenteil, er wird seit uralten Zeiten beschritten. In Untersuchungen habe ich festgestellt, dass die Wirkstoffe von mexikanischen Zauberpflanzen LSD-ähnliche Verbindungen sind. Auf ihren Konsum bereiten sich die Indianer lange vor: durch Gebete und Fasten, durch sorgfältige Wahl der richtigen Umgebung und durch geistige Führung. Sie glauben, dass man mit Gott in Kontakt kommt, wenn diese Bedingungen erfüllt sind.

Andernfalls ...?

Albert Hofmann: Wenn man solche Vorkehrungen unterlässt, kann der Pilz töten oder einen Menschen in den Wahnsinn treiben. Diese Erfahrungen hätte man eigentlich beiziehen sollen, als man mit LSD zu experimentieren begann. Denn LSD ist, sowohl was die Chemie als auch die Wirkungsweise anbelangt, eng verwandt mit den mexikanischen Zauberpilzen. Seit Urzeiten hat der Mensch diese Stoffe verwendet.

Auch in Europa?

Albert Hofmann: In der Tat. Wie ich in einer Untersuchung mit amerikanischen Kollegen festgestellt habe, wurden bei den Mysterien von Eleusis - einem geistigen Zentrum im antiken Griechenland - LSD-ähnliche Stoffe angewendet, um sich mit dem göttlichen Sein zu verbinden. Da solche Erfahrungen aber eben erschreckend sein können, wurde der Weg zu ihnen lange und mit aufwendigen Zeremonien vorbereitet. Allein der Marsch von Athen nach Eleusis dauerte eine Woche. In Eleusis bekamen sie einen Trank namens Kykeon, das ist geschichtlich erwiesen. Anschliessend hatten sie ein Erlebnis des Einsseins, des Unaussprech-lichen. Solche Erfahrungen lassen sich nicht in Worte fassen, und deswegen durfte auch nicht über die Erfahrung selbst, sondern nur über ihre Bedeutung gesprochen werden. Jedenfalls wählten schon die alten Griechen den pharmakologischen Weg, jedoch immer verbunden mit einer Vorbereitung. Wer heute LSD anwenden will, muss es wie damals tun: in einem zeremoniellen Rahmen in einem geistigen Zentrum.

«LSD darf nicht profaniert werden», sagen Sie. Was wäre denn so schlimm an einer Entweihung?

Albert Hofmann: LSD zu gebrauchen, erfordert eine gewisse geistige Reife und den richtigen Rahmen. Probleme entstehen dann, wenn diese Bedingungen nicht erfüllt sind. Bei den Indianern sind diese Substanzen in den Händen der Schamanen, der Heilpriester. In unserer Kultur haben wir weder ein Eleusis noch entsprechende Institutionen, und auch keine Schamanen. Die Heilpriester unserer Gesellschaft sind vorläufig am ehesten die Psychiater. Sie haben mit der Psyche und der geistigen Heilung zu tun. Also gehören psychedelische Substanzen in ihre Hände. Wenn wir entsprechende Einrichtungen schaffen, kann die Anwendung erweitert werden.

Hatten Sie schon Erfahrungen mit veränderten Bewusstseinszuständen, bevor Sie auf LSD stiessen? Oder sind Sie erst durch diese Entdeckung ganz unvermittelt mit dieser Thematik konfrontiert worden?

Albert Hofmann: Zu Beginn meines Buchs LSD - mein Sorgenkind schildere ich ein visionäres, mystisches Erlebnis, das ich als Kind hatte. Als ich an einem Maimorgen durch den Wald ging, erschien mir auf einmal alles in einem wunderbaren, neuen Licht. Es ist so schwierig, dies in Worte zu fassen. Alles erschien mir wunderbar. Es war ein Erkennen und das Gefühl, bisher blind gewesen zu sein. Dieses Einssein war ein ungeheures Erlebnis, das ich nicht einmal zu erzählen wagte. Ich bewahrte es aber als grossen Schatz in mir.

Ist es bei dieser einen Erfahrung geblieben?

Albert Hofmann: Als Kind hatte ich noch einige Male ähnliche Erlebnisse, aber immer in einer natürlichen Umgebung. Deswegen ist es eben auch so wichtig, bei LSD-Erfahrungen in einer lebendigen, natürlichen Umgebung zu sein. Eine LSD-Erfahrung in einer Discothek, in einer lärmigen Stadt kann geradezu tödlich wirken. So sind diese Unfälle passiert, bei denen jemand auf einen «Horrortrip» kam und mit dem Diabolischen konfrontiert und davon erfüllt wurde.

Haben diese Erlebnisse Ihre weitere Entwicklung beeinflusst?


Albert Hofmann: Sie gaben mir das Gefühl, dass ich die Wahrheit gesehen habe, und die Sicherheit, dass eine wunderbare, ungeheuer tiefe Wirklichkeit hinter dem Alltagserleben existiert. Es ist ein Einssein, ein kosmisches Gefühl. Das hat mein Leben geprägt. Normaler-weise ahnen wir höchstens, dass unsere Welt kein Zufallsprodukt sein kann und dass eine geistige Kraft dahinterstehen muss.

Herzlichen Dank für dieses Gespräch!

© Lucius Werthmüller • Gaia Media Stiftung

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